Im Gegensatz zu den später folgenden Christen beteten die antiken Griechen und Römer viele Götter an. Nach ihrem Glauben fiel jedem Mitglied der himmlischen Familie ein ganz bestimmtes Aufgabengebiet zu. Neben heute noch berühmten Vertretern wie dem kriegerischen Ares, der weisen Athene oder dem Liebe stiftenden Amor verehrten die Gläubigen der beiden Großmächte auch weniger bekannte Halb- und Nebengötter. Einer von ihnen war Faun, ein Mischwesen aus Mensch und Bock. Er war für den Schutz der Natur und des Waldes sowie der Bauern und Hirten verantwortlich. Als Patron ihres Viehbestandes und ihrer Felderträge oblag ihm außerdem die stete Vermehrung – weswegen er auch allgemein als „Fruchtbarkeitsgott“ bezeichnet wird.
Zahlreiche Darstellungen zeigen ihn als fröhlich tanzenden, oft auch betrunkenen Mann mit stark behaarten Bockbeinen, kleinen Hörnern und ziegenartigem Kinnbart. Inwiefern er in dieser Gestalt zugleich als Sinnbild der Wollust und des sexuellen Begehrens gilt, offenbart ein Blick in die umfangreiche Sammlung griechisch-römischer Sagen. Ihnen zu Folge verliebte Faun sich einst in die Nymphe Syrinx, eine jener mythologischen Jungfrauen, die ihm als Natur- und Fruchtbarkeitsgott unterstellt waren. Seine Machtposition verkennend, wollte er sie unbedingt auch körperlich besitzen – und verfolgte sie zu diesem Zweck durch die Flussauen. Die aber unterstanden Syrinx Vater Ladon und verliehen der Flüchtenden magische Kräfte. Als die Nymphe merkte, dass sich ihr Abstand zu dem liebestollen Faun immer mehr verringerte, verwandelte sie sich kurzerhand in Schilfrohr, so dass der hinzukommende Fruchtbarkeitsgott statt ihres weichen Körpers nur harte Stängel zu fassen bekam.
Als der Wind zwischen die Halme fuhr, erklang ein so trauriger Ton, dass Faun beschloss, diesen für immer aufzubewahren. Er schnitt verschieden lange Schilfstücke ab, band sie zu einer siebenröhrigen Flöte zusammen und gab ihr den Namen seiner unerreichten Geliebten: Syrinx. Später unterlag der ohnehin geschmähte Fruchtbarkeitsgott in einem musikalischen Wettstreit gegen Apollo, weil dieser das angesehenere Instrument spielte.
Obwohl der wilde Faun also einen eher bedauernswerten Background hat, ist er als zügelloser Mann in die (Götter-) Geschichte eingegangen und gilt bis heute als Sinnbild für starke erotische – wenn auch nicht immer gleichseitig ausgeprägte – Anziehungskraft.